Auf geht's - Große Reise mit Kratzekind & Co.

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So, jetzt geht es tatsächlich los auf die große Reise...ein Jahr quer durch Nord- und Südamerika, später weiter Richtung Afrika und/oder Asien. Zu viert. Kuscheltiere, Kratzemonster und Hustefuchs nicht eingerechet. Akribisch seit Jahr und Tag geplant, gespart, gewerkelt. Jetzt ist es so weit. Ich sitze allein vor unseren gepackten Rucksäcken, um mich herum höre ich aus allen Ecken leises Schnarchen und Schnorcheln; nur ich bin nervös - das soll alles sein an Gepäck für ein ganzes Jahr!? Aber Ballast abzuwerfen, so wie wir es in den letzten Wochen bereits getan haben, fühlt sich gut an. Unsere Wohnung wird nun für ein Jahr von einer afghanischen Flüchtlingsfamilie bewohnt werden. Ein Drittel unserer Klamotten haben wir gespendet - zieht eh kein Mensch an alles. Schule und Kindergarten für 2018 sind organisiert. Das fühlt sich alles gut an.

Dennoch: Ich erwische mich dabei wie ich in letzter Minute gefühlte 4000x "heimlich" noch dieses oder jenes Utensil in einem der zahlreichen Reißverschlüsse verschwinden lasse. "Komisch, eben war das Gepäck leichter meine ich", höre ich es später aus dem Off murmeln. Mist, die Reise-Waage kann man nicht betrügen (das weiß ich leider auch schon von der normalen Personenwaage). Also wieder raus mit dem zusammengeknüllten T-Shirt oder dem an der Seite noch reingequetschten Extra-Paar Sneakers. Hmpf. Dabei war das ein ganz leichtes Modell...also fast...

So eine Reise und das mit Kratzekind?!

Letzter Tag heut zu Hause, da geht einem doch der A**** auf Grundeis irgendwie! Nicht nur, aber auch wegen des Kratzekindes. "Backpacking?! Als Familie?! Und dann noch so eine Reise mit einem chronisch kranken Kind. Habt Ihr Euch das auch wirklich gut überlegt!?" Nööö, diese Idee ist uns gerade erst so in den Kopf geflogen!

Natürlich haben wir uns das gut überlegt. Und es ist glücklicherweise auch nicht die erste 'etwas unkonventionelle' Tour für diese Familie. Das heißt, ein wenig Erfahrung ist da. Aber sicherlich sind bei dieser Route und dieser Reiselänge doch einige zusätzliche Hürden insbesondere für kleine Atopiker dabei. Ja, vielleicht auch Risiken. Aber sicherlich auch Chancen! Viele Atopie-Risiken sind zumindest halbwegs kalkulierbar. Und die Schübe können wir so oder so nicht planen, ob wir in den Rocky Mountains rumwuseln oder auf der Couch zu Hause sitzen. 

Bezüglich der Logistik dachte ich zunächst: alles easy, wir nehmen einfach einen Stapel Rezepte mit für alle Eventualitäten und gut is' aber: weit gefehlt! Rezepte gelten nur in Deutschland (ach so!) und auch nur für wenige Wochen. Hmm. Na gut, dann eben 15kg Basis-Creme-Vorrat, Allergiker-Bettwäsche, Schlafanzug, Scratchsleeves, Pariboy, Inhalierhilfen - und Froschmasken, 1000 Liter Badezusätze und Tees, Sprays, Notfallmedikationen für jedwede Form von Schüben und drei Tonnen Tubifast in den Rucksack! "Und wer bitte soll das schleppen?", höre ich im Hintergrund. Stimmt. Ein Ding der Unmöglichkeit. Da müssten wir einen LKW hinter uns herfahren lassen, so wie bei der Tour de France der Tross hinter den Fahrern, der Wasservorräte und Zuckernachschub bereit hält. Ne, das wird nix. Unrealistisch, jemanden zu finden, der das pro Bono machen würde. Zumal: mit Backpacking hätte das dann auch nicht mehr wirklich was zu tun.

"Die Cremes halten sich doch auch gar nicht ohne Kühlkette über einen längeren Zeitraum", sagte der Arzt. Hm. Auch wieder wahr. Das ist jetzt blöd. Was tun?

Durchatmen. Vertrauen. Nachdenken. Loslassen. "Sie machen das schon!", vernehme ich beim Verlassen der Praxis. Jawoll - das stimmt. 

Also haben wir aussortiert (was ist wirklich essenziell für die tägliche Pflege eines Neurodermitikers und Asthmatikers; was ist wirklich relevant für Notfälle), haben ein Kratzekind-Monatspaket geschnürt (die Pflege für die folgenden Monate muss man eben immer vor Ort organisieren - wir haben ja Zeit), Inhaltsstoffe diverser Produkte auf mehreren Sprachen recherchiert (nein, chinesisch oder arabisch ist Gott sei Dank nicht dabei, das hätte ich mir schwerlich zugetraut!), Fachärzte entlang der Route rausgepickt, Kleidung Neurodermitis-spezifisch selektiert, Literatur zum Thema in die Cloud gepackt statt ins Gepäck etc.

Wir sind ein bisschen aufgeregt, denn die Reise wird auch ein Stück weit ein Haut-Abenteuer - auf der Suche nach dem perfekten Klima, dem idealen Neurodermitis- und Asthma-Wetter, den besten Bedingungen für kleine Patienten. Wir werden uns hauptsächlich in der Natur oder auf dem Land aufhalten, an Seen, Stränden, in den Bergen - also Orten mit (hoffentlich) klarer Luft! Wo gibt es überall Atopie? Auf welche Produkte gegen Neurodermitis setzt man in Chile oder Tanzania? Was hilft in Kanada gegen Asthma? Wo wird der Zustand von Haut und Lunge unseres Kratzekindes am allerbesten sein? Ein länger Weg wartet auf uns. Wir sind bereit.

Ob alles klappen wird wie geplant? Nö, mit Sicherheit nicht. Aber das heißt noch lange nicht, dass alles schief gehen wird. Ob wir das Kratzemonster und den Hustefuchs mitnehmen? Aber sicher doch! Die lassen sich nicht so einfach abschütteln. Aber vielleicht gehen sie auch ab und an gerne mal auf Sightseeing- oder Abenteuertour und vergessen vor lauter Ablenkung unser Kratzekind zu ärgern - wir sind gespannt!