Neurodermitis & Mykose - oder: ein Rendezvous im Turnschuh
Diese Woche waren wir wieder beim Kinderarzt – was war es dieses Mal? Bronchitis? Bakterielle Infektion? Herpes? Nein, dieses Mal war es etwas ganz Neues für uns: Fuß- und Nagelpilzalarm! Och nö…nicht das jetzt auch noch...Aber: es nützt ja nichts – Das Immunsystem von Atopikern ist grundsätzlich recht anfällig, und insbesondere die Haut der kleinen Neurodermitiker eignet sich ja erfahrungsgemäß ganz hervorragend als Biotop & Tummelplatz für allerlei 'Fiese Möpp' (Kölsch für alles, was widerlich ist und keiner leiden kann) – warum also nicht auch Pilze? Läuft bei uns, großartig!
Aber ich fange mal von vorne an. Wenn ein kleiner Neurodermitis-Patient sich sowieso gefühlt von morgens bis abends knibbelt und kratzt, schürft und schrubbt, dann fällt es ehrlich gesagt erst einmal gar nicht direkt ins Auge, dass nun eben auch am Fuß rumgenestelt wird (denn: wo nicht?!). Obwohl wir also mindestens 2x am Tag (plus sehr angegriffene Stellen noch 1x nachts im Schlaf) so gut wie jeden Quadratzentimeter der Haut unseres Kratzekindes von Haaransatz bis Fußsohle eincremen, fiel uns zunächst nichts Ungewöhnliches auf. Dementsprechend wurden typische erste Mykose-Symptome, wie schuppige Haut oder kleine Einrisse (Fissuren) an den Füßen oder zwischen den Zehen, vermutlich schlichtweg von uns 'übercremt', so dass sie uns vollends entgingen.
Vor ein paar Tagen fiel mir dann beim Nägelschneiden erstmalig ein ganz spezieller 'Kollege' besonderer Art und Beschaffenheit unter den Zehen ins Auge: "Ui. Was ist denn mit dem Nagel los? Dafür braucht man ja einen Waffenschein!", scherzte ich. Tatsächlich sah der Nagel des sogenannten Digitus III, also die mittlere Zehe, am rechten Fuß unseres Großen arg abenteuerlich aus: etwas zu lang, ganz leicht hubbelig, Marke "Schrumpelnagel". Zunächst dachte ich, dass dieser einfach ein wenig in Mitleidenschaft gezogen wurde durch das Tragen von Turnschuhen und Gummistiefeln, die vielleicht doch schon eine Nummer größer hätten sein können. "Hier müssen wir mal schleunigst Nagelfriseur spielen. So, kann losgehen mit der Pediküre" sagte ich und setzte die Schere an. Als ich nur den leichtesten Druck auf den Nagel ausübte, rief der Große wie aus der Pistole geschossen bevor ich auch nur den Nagel einen Millimeter kappen konnte: "Nein, Mama, nicht den Nagel schneiden! Das zwackt, hör auf!" "Papperlapapp, in den Nägeln hat man keine Nerven, das ist wie beim Haareschneiden, das weißt Du doch", entgegnete ich schon leicht entnervt. "Meiner schon, meiner hat Nerven!" schrie das Kratzekind. 'Immer dieses Bohei um das Nägelschneiden bei Kindern, wann hört das endlich auf', dachte ich. Ich wollte gerade wieder die Schere ansetzen als der Große begann rumzuzappeln und zu zetern, jetzt sei Schluss, er könne nicht mehr still sitzen, nicht eine Sekunde länger. 'Pick your Battles wisely', hatte einmal eine Freundin zu mir gesagt, als ich mich zum wiederholten Male mit einem Kollegen zum leidigen Thema 'Karriere & Teilzeit' in die Haare bekommen hatte. Sie hat Recht. Nicht jede kleine Schlacht muss gewonnen werden. Ich atmete tief durch, und mit Blick auf einen langen Tag vor mir, für den ich noch viel Energie brauchte, entschied ich: "Sei's drum, Du musst ja mit diesem Wuchernagel rumlaufen, nicht ich."
Auch Kratzeeltern können nicht alles wissen
Einen Tag später versuchte ich es erneut. Der betroffene Nagel wies nunmehr eine ganz leichte Verfärbung auf. Da klingelte es bei mir. "Jetzt verstehe ich, warum der Nagel weh tut. Entschuldige, da hab' ich Mist gebaut", murmelte ich schuldbewusst. "Ja, hab ich doch gesagt, Nägel haben Nerven, Mama. Aber: Du kannst ja auch nicht alles wissen", entgegnete mir das Kratzekind versöhnlich. Oh je. Das hätte ich besser wissen müssen! Obgleich: eine Pilzinfektion, die sogenannte 'Mykose' bei kleinen Kindern?! Das war mir einfach noch nie untergekommen. In der Tat tritt die Mykose bei Kindern nur äußerst selten auf: Nach aktuellen Schätzungen geht man davon aus, dass es sich nur um maximal 0-1,5% aller Kinder handelt, die bereits in dem jungen Alter mit einer Mykose zu tun haben. Denn Kinder sind von Natur aus weniger anfällig für derartige Infektionen als Erwachsene, deren Haut sich langsamer erneuert und deren Nägel langsamer wachsen als die der Kinder. Und welche Kinder haben gute Chancen in die 0-1,5%-Gruppe zu fallen, wer ist dafür prädestiniert? Richtig - Atopiker natürlich! Da ihr Immunsystem eh häufig schwächer ist als das gesunder Kinder und speziell die Neurodermitiker offenkundig 'ein Hautproblem' haben (Ach so!), sind sie eben nicht nur anfälliger für Bakterien oder Viren sondern eben auch für Mykosen. Insbesondere natürlich zum Beispiel in feuchtgewordenen Turnschuhen. Nur: woher soll ich das alles immer wissen?! Argghh! Trotzdem schlechtes Gewissen. Fakt war: dieses verhornte 'Schrumpelding' konnte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr unter die Definition von 'Normal-verunstalteter-ich-kicke-auch-bei Regen-und-Matsch-Fussballer-Jungen-Zeh' fallen. Unmöglich. Was also tun?
Ein Nagelpilz kommt selten allein
Schwupps, schnell hatten wir den gesamten Fuß unter die Lupe genommen und so fiel uns jetzt erst auf, dass sich neben dem 'Schrumpelding' die Mykose auch zwischen kleinem Zeh und 'Ring-Zehe' (kleiner Scherz, der Zeh neben dem kleinen heißt schlichtweg Digitus IV) versteckt hatte. Keine großen Auffälligkeiten aber eben rot und juckend. Das reicht. Abhilfe musste her. Aber wegen jedem Zipperlein gleich zum Arzt? 'Ich bin sicherlich keine Hypochonder-Mama, und die Wartezimmer sind sowieso vollgestopft', dachte ich, und ging stattdessen schnurstracks in die Apotheke. "Einmal etwas gegen Fuß- und Nagelpilz, bitte. Aber nur dass Sie es wissen, ich bin es nicht, ehrlich nicht" rutschte es mir heraus (immer wieder ist es mir doch irgendwie peinlich in der Apotheke gewisse Produkte zu kaufen; jetzt weiß ich: Fußpilzmedikamente gehören definitiv dazu!). Die Apothekerin schmunzelte und schob mir nach ersten Nachfragen zu Befund und Alter des Patienten etc. eine Tube über die Ladentheke.
Drei Tage schmierten wir die Füße ein, cremten brav morgens und abends – erfolglos. Ich hätte es besser wissen müssen; Standardprodukte taugen einfach oft nichts. Also doch ab zum Arzt? "Guten Tag, mein Sohn hat glaube ich eine Mykose am Fuß bzw. am Zeh, müssen wir dafür vorstellig werden oder können Sie mir telefonisch ein Produkt empfehlen?", rief ich ins Telefon. Die Antwort der Sprechstundenhilfe fiel eindeutig aus ("So schnell wie möglich vorbeikommen!"). Am nächsten Morgen saßen wir also im Behandlungszimmer. Jetzt weiß ich: mit einem Pilz muss man immer zum Arzt. "Bitte nur noch Sandalen tragen", ermahnte uns der Arzt mit Blick auf Socken und zerbeulte Turnschuh-Treter. Atmungsaktive Schuhe zur Durchlüftung machen Sinn, denn gerade in 'Feuchtgebieten' (z.B. nasse Fußballschuhe inklusive feuchten Socken) werden Infektionen begünstigt. Und wieder eine neue Creme für unsere Sammlung, juchuu. Wichtig ist bei der Behandlung nicht nur das richtige Produkt sondern auch die Konsequenz des Cremens – für uns galt also nicht lediglich cremen bis der Juckreiz verschwindet (das geht relativ schnell, 1-2 Tage), sondern mehrere Woche lang 2x täglich diszipliniert den ganzen Fuß dünn eincremen. Das juckt uns aber nicht – im Cremen sind wir ja Spezialisten!
"Act local, think global"
Nach dem Arztbesuch gingen wir schnurstracks ins Schuhgeschäft – 'coole' Sandalen mussten her. Und wir wurden fündig. Gelernt habe ich: Fußmykosen sollte man nicht auf die leichte Schulter und Füße kleiner Neurodermitiker regelmäßig in Augenschein nehmen. Bei ersten Symptomen ist ein Arztbesuch Pflicht. Pilzinfektionen sind schmerzhaft und gefährlich, denn es besteht nicht nur Ansteckungsgefahr für andere Personen oder die Gefahr einer chronischen Erkrankung, sondern sie begünstigen durch die Beschädigung der Haut auch anderweitige schwerwiegende (bakterielle) Infektionen, die den Körper gesamthaft schädigen können. Daher gilt für uns ab jetzt auch in Sachen Mykose: "Act local, think global". Die ollen Treter kamen erst einmal in die Tonne - Fußballspielen geht im Zweifel auch barfuß.