Sommer, Sonne & Neurodermitis - 10 kleine Tipps für große Entdecker
Juhuuuh! Der Sommer ist da! Der Winter zog sich zwar wie Kaugummi und der Frühling wurde gar rotzfrech übersprungen aber wer wird denn da nachtragend sein; das ist alles längst vergessen, denn: Jetzt heißt es endlich wieder: draußen spielen, Baumhäuser und Staudämme bauen, picknicken, baden gehen - die Welt entdecken!
Jede Jahreszeit bringt für kleine Allergiker, Asthmatiker und Neurodermitiker (sprich: Atopiker) ihre eigenen, neuen Herausforderungen mit sich (ich spar mir die negative Formulierung 'Gefahren' - positives Denken ist angesagt :-)), das gilt natürlich auch für die warmen Monate. Egal, ob Euer Kratzekind im Baby-, Kita- oder Schulalter ist - vielleicht findet ihr hier die ein oder andere Anregung im Umgang mit Kratzemonstern & Hustefüchsen im Sommer.
Und schon geht’s los:
1. Sonnencreme - eine unendliche Geschichte: Arrrgh, welch' leidiges Thema. Hierzu befragst Du 5 Leute und erhältst 10 verschiedene Antworten, die von "Ach, wir machen unsere Öko-Sonnencreme selbst" bis hin zu "Dat Produkt vom Discounter is jenau so jut wie all dä andere Driss" reichen. Ähm, nun ja - was soll man nun raten? Wir haben bislang im Laufe des Kratzelebens unseres Kindes Dutzende (oder kann ich schon fast sagen: Hunderte?!?) Sonnenöle, -lotionen, -cremes und Hastenichtgesehen-Dingsbumseausprobiert, um unser Kind vor der Sonne zu schützen und gleichzeitig die Haut nicht zu sehr zu beanspruchen; fast alles, was es an Marken und Nicht-Marken-Produkten, an mineralischen oder chemischen Filtern, mit und ohne Aluminium oder Nanopartikel, von Bio-Naturkosmetik bis Industrie-Ware aufzuspüren gab, von unverschämt teuer bis unfassbar billig, ist irgendwann mal in unserem Hause gelandet. Das Ende vom Lied ist: DIE perfekte Sonnencreme gibt es nicht (so wie es auch nicht DIE allgemeingültig perfekte Pflege für Neurodermitiker gibt!), da jede Haut je nach Zustand, Klima und Zeitpunkt des Auftragens anders beschaffen ist und damit anders reagiert.
Bei uns ist es unterm Strich so: ist die Haut stabil, kann ihr auch kein noch so fies riechender, chemischer Sonnenschutz etwas anhaben. Brütet die Haut dagegen sowieso schon etwas aus oder ist bereits angegriffen (durch Sonne, Allergien, Stress, Klimawechsel, Pups quer sitzen, andere Trigger), dann ist keineSonnencreme ideal, sondern setzt ggf. noch einen drauf. Dann geht es lediglich noch um Schadensbegrenzung, sprich, welche Sonnencreme schadet dann der Haut meines Kindes im aktuellen Zustand noch am Wenigsten. An dem Trial & Error-Prinzip kommt ihr also leider nicht drumherum. Allerdings anbei einige Punkte, auf die ihr aus meiner Erfahrung bei der Selektion und im Umgang mit der Sonnencreme achten solltet:
- Chemie ja oder nein - your Choice: Grundsätzlich lassen sich die meisten Produkte folgendermaßen kategorisieren: mineralisch, chemisch oder gemischt. Babies im ersten Lebensjahr haben für mich in der prallen Sonne eh wenig bis nichts verloren. Sie müssen aber natürlich auch selbst im Schatten gecremt werden, um die Haut vor Sonnenbrand zu schützen. Da die Haut beim Baby noch nicht voll ausgebildet, noch sehr empfindlich und im Verhältnis größer ist als bei älteren Kindern oder Erwachsenen, nimmt sie proportional aber durch das Cremen mehr Chemikalien auf. Daher sollte in den ersten Lebensmonaten der Schutz auf jeden Fall mineralisch sein. Sobald die Kids älter werden, muss man entscheiden wieviel 'Chemie' auf den Körper kommen darf oder nicht. Da gibt es auch kein richtig und kein falsch. Bei uns sind rein mineralische Cremes erfahrungsgemäß nicht gut anwendbar. Sie sind zu trocken und führen schnell zur Ekzembildung. Unser Kratzekind ist aber nicht der Maßstab aller Dinge, dh. für Euch mag der rein mineralische Schutz auch in fortgeschrittenem Alter das Richtige sein, insbesondere, wenn das Kind auf die chemischen Stoffe reagiert. Der Anteil chemischer Zusatzstoffe in den Cremes wird übrigens in der Regel höher, je höher der Lichtschutzfaktor ist. Rein mineralische Cremes mit einem Lichtschutzfaktor über 30 gibt es sehr, sehr, sehr selten (wenn überhaupt). Wenn man sich für die rein mineralische Alternative entscheidet (z.B. dürfen Natur-Kosmetische Produkte nach meinem Kenntnisstand gar keine Chemie enthalten), dann lediglich überprüfen, ob genügend UVA-Schutz besteht. Und insbesondere bei mineralischen Produkten gilt: ordentlich auftragen damit die Cremes vor den Sonnenstrahlen schützen. Muss man mögen, auch optisch ;-)
- Hoher Lichtschutzfaktor: ein No-Brainer, dass wir den Kindern immer mindestens LSF-Faktor 30 (in der Regel 50) draufklatschen. Einige mögen der Ansicht sein: lieber geringerer Faktor (ergo: weniger Chemie im Produkt) aber mir ist die Chemie in leichter Form lieber als Sonnenbrand (Krebsgefahr).
- Bitte UVA- & UVB-Schutz: Wir nutzen ausschließlich Produkte, die nachweislich (zertifiziert) ausreichend UVA- & UVB-Schutz beinhalten (einfach nachlesen auf der Verpackung). UVA-Filter schützen vor Sonnenunverträglichkeitsreaktionen, Erbgutschäden und vorzeitiger Alterung der Haut, UVB-Filter vor Sonnenbrand und seinen längerfristigen Folgen.
- Sonnenöl ist Mist: Nach meinem Verständnis sollte man die Hände von Sonnenschutz basierend auf reinem Öl lassen, da der UVA-Schutz nachweislich nicht gegeben ist. Keine Option für uns.
- Reaktion des Kindes beachten: „Ih, ist die schmierig. Boah die klebt voll, Mama, das ist eklig!“ - das haben wir oft gehört - ihr auch? :-) Die Frage 'Wie reagiert mein Kind‘ ist für mich immer ein wichtiger Faktor bei der Produktwahl. Wenn ich schon ständig auf den Grenzen meines Kindes herumtrampeln und es oft gegen seinen Willen eincremen muss, sei es zur Pflege, zur Genesung oder zum Schutz, dann versuche ich die Meinung des Kindes über ein Produkt wenigstens stark mit einzubeziehen, denn: es ist SEINE Haut, nicht meine. Kinder wissen schon früh, was ihnen gut tut - und was nicht. Am Cremen führt kein Weg vorbei, egal wie bedürfnisorientiert oder demokratisch man seine Kinder erziehen will. Aber wie gut oder schlecht ein Kind das Produkt verträgt, sagt uns oftmals die Reaktion des Kindes. Sonnencremes, die also z.B. sehr wenig Feuchtigkeit enthalten, unangenehm stechen, auf der Haut, oder schwer einziehen, empfindet unser Kratzekind erfahrungsgemäß als unangenehm (abgesehen davon, dass es mal einen ganzen Sommer lang mit dem kleinen Vampir verwechselt wurde, weil es durch den mineralischen Filter der damals benutzten Sonnencreme immer käsig im Gesicht aussah. Zum Gruseln!). Zudem blieb an manch aufgetragenem Produkt der Sand kleben, alles nervte und juckte, die Haut wurde spröde und sprang auf. Also ist im Umkehrschluss für unser Kratzekind wichtig: schnelles Einziehen und hoher Feuchtigkeitsfaktor, dh. relativ flüssige Konsistenz. Wir haben verstanden. Dem Wunsch kommen wir gerne nach.
- Keine Parfums oder unnötige Zusatzstoffe: fragwürdige Zusatzstoffe braucht kein Mensch. Und schon gar kein Kratzekind! Zum Glück gibt es diverse hilfreiche Apps wie z.B. Code-Check, durch die man in Nullkommanix über etwaige Emulgatoren, Konservierungsstoffe, Allergene, Duftstoffe etc. informiert ist. Manche Sonnencremes enthalten z.B. auch Inhaltsstoffe, die aus tierischem Eiweiss gewonnen werden - nix für Hühnerei-Allergiker und daher gut zu wissen, was man seinem Kratzekind auf die Haut schmiert.
- Testen statt Blenden lassen: Viele Markenhersteller wissen um die Angst der Eltern um Ihre (Allergiker- und Neurodermitiker-) Kinder. Daher sind die Produkte, auf denen in großen Lettern ein "Für Neurodermitiker geeignet" oder "Speziell für Allergiker" prangert, gefühlt immer besonders teuer. Leider ist weder der Preis noch die Aufschrift eine Garantie dafür, dass das Produkt zu Eurem Kind passt. Nicht blenden lassen. In Apotheken nach Pröbchen fragen oder 'dreist' darum bitten, eine kleine Ration zum Testen abzufüllen - unser Apotheker des Vertrauens macht das gern für uns (verdient ja auch genug an uns über die Jahre! ;-) Tipp: in vielen großen Drogeriemärkten kann man geöffnete Produkte auch zurückgeben, wenn die Haut sie nicht verträgt. Ausprobieren.
- Informiere Dich: Im Zweifel kann man auf seriöse Institutionen wie den DAAB oder ECARF zurückgreifen (deutsche bzw. europäische Non Profit Verbände rund um Atopiker). Ich bin sonst nicht gerade hoheitshörig aber den Empfehlungen dieser Organisationen kann man aus meiner Erfahrung Vertrauen schenken. Ansonsten bietet Stiftung Warentest immer wieder interessante Tests und Informationen zum Thema Sonnencreme an, auch speziell für Kinder. Check!
- Im Schub ist kein Produkt das Richtige: wenn die Haut unseres Kratzekindes stabil ist, so kann sie so einiges abhaben - auch Sonnencremes, die schon allein dem Duft oder der Inhaltsstoffe nach normalerweise bei Kratzemamas & -Papas jedwede Alarmglocken aufschrillen lassen. Auf unserer monatelangen Reise hatten wie zwangsläufig beileibe nicht immer Top-Produkte zur Verfügung und mussten oft ‚abenteuerlich‘ anmutende Alternativen in Kauf nehmen; kein Problem in stabilen Haut-Zeiten! Aber sobald die Haut sowieso schon schwächelte, wirkte sich jedwede (!) Sonnencreme , ob teuer, billig, extra sensitiv, mineralisch, parfümiert oder Bio-Öko-Teuer-Mega-Organic-Politisch-Korrekt zusätzlich negativ aus. Soll heißen: wenn die Haut blüht, muss das Kind aus der Sonne, denn sowohl die Sonne als auch fast jedes Produkt zum Schutz vor ihr trägt destabilisierend zur Verschlechterung des Hautbilds bei. Es liegt also aus meiner 5-jährigem Kratzefeuerwehr-Erfahrung in den wenigsten Fällen (auch diese Ausnahmen gibt es sicherlich) an dem falschen Produkt oder an etwaigen Unverträglichkeiten sondern am generellen Zustand der Haut, ob sie auf die Sonnenmilch reagiert oder es schlichtweg lässt. Was will ich eigentlich sagen? Macht euch mit der Produktwahl nicht verrückt!
- Bloß kein Stress - Stress ist schlecht fürs Karma, für die Kids und auch für die Kratzehaut. Daher sollte er tunlichst vermieden werden. Auch im Sommer. Durchknallen und Nerven verlieren, wenn man im Park realisiert, dass man die Spezial-Sonnencreme zu Hause liegen gelassen hat und "nur" das 0815-Produkt der Mama auf der Picknick-Decke nebenan zur Verfügung steht, bringt keinem etwas. Und die Kinder von sozialen Aktivitäten in der Sonne auszuschließen aufgrund der Haut auch nicht. Von daher: Hauptsache irgendein Sonnenschutz ist zur Hand - die Haut macht (oft) eh was sie will. Hauptsache Sonnenbrand vermeiden, da ist im Zweifel und insbesondere in Ausnahmesituationen jedwedes Mittel recht.
- Achtung Flecken! Früher dachte ich immer: wie praxisfern ist bitte die Forschung, dass sie Sonnencremes auf den Markt bringt, die derart gelbe Flecken auf den Textilien hinterlassen, die selbst bei 60 Grad nicht rausgehen?! Allerdings gibt es meines Wissens nahezu keine Sonnencreme, die KEINE unangenehmen Flecken auf empfindlichen Stoffen hinterlässt. Warum? Weil der UVA-Filter öllöslich sein muss und damit seine Eigenfärbung auf Textilien überträgt, die sich je nach Material dann nicht auswaschen lässt. Also: empfindliche Stoffe beim Sonnenbad der Kids einfach vermeiden. Oder mit den Flecken leben lernen. Auch kein Beinbruch. Tipp: Ansonsten einmal versuchen, die Flecken mit Gallseife oder einem Päckchen Backpulver oder einem Essigwasserbad zu entfernen. Lasst mich wissen, ob's klappt! ;-)
2. Sonnenschutz geht über Sonnencreme hinaus: Nach der Wahl der perfekten Sonnenmilch für die individuelle Kratzehaut, geht der Spass erst richtig los. Viele Kratzekinder haben natürlich überhaupt keinen Bock auf zusätzliche Eincreme-Sitzungen (neben dem Pflegemarathon morgens und abends) aber: da müssen wir Eltern eben durch. Ein paar generelle Tipps zum Eincremen findet ihr hier. Immerhin kann man in Sachen Sonnenschutz auf alle anderen Kinder verweisen, die auch nicht ohne Sonnencreme auf den Spielplatz dürfen. Zudem beachten wir immer folgende generelle Punkte:
- Nachcremen: Schön, wenn man das perfekte Produkt gefunden hat - allerdings sollte es nicht im Regal oder in der Tasche versauern. Alle 2h muss der Sonnenschutz erneuert werden. Tipp: Macht Euch am Besten gleich nach dem ersten Eincremen eine Erinnerung ins Handy. Dann kann nichts schief gehen.
- Mehr ist mehr: nie zu wenig cremen - hier gilt ausnahmsweise mal nicht: weniger ist mehr sondern genau das Gegenteil!
- Direkte Sonneneinstrahlung vermeiden: Es versteht sich von selbst, dass man in der Mittagssonne im Hochsommer mit einem kleinen Neurodermitiker sicherlich nicht den Spielplatz ohne Schattenplätzchen aufsucht. Sicher versucht ihr auch Euer Kratzekind mit langer (UV-)Kleidung und Mütze zu schützen. Das machen wir genauso. Denn so vermeiden wir die direkte Sonneneinstrahlung und das großflächige Cremen mit Sonnenmilch gleichermaßen. Allerdings nur, so lange es aufgrund der Temperaturen dem Kind und seinem Bewegungsdrang zumutbar ist. Denn Atopiker haben häufig deutlich weniger Schweißdrüsen als Otto Normalo Kids, d.h., sie laufen sehr schnell heiß. Diese Hitzewallung kann eine schubauslösende Wirkung haben. Demnach muss hier immer sorgsam abgewogen werden. Falls es zu heiß ist oder die Kinder in einem Alter sind, in dem einfach schon viel gerannt und getobt wird, sind lange Klamotten (und der damit verbundene Hitzestau) in warmen Monaten draussen für uns fast die schlechtere Alternative zur Sonnenmilch. Dafür kriegt man schnell ein Gefühl (Tipp: immer im Nacken nachfühlen, ob das Kind zu heiß läuft - dann lieber raus aus den Klamotten).
- Vitamin D-Produktion nicht vollkommen ignorieren: Als unser Kratzekind noch kleiner war, hab ich beim ersten Frühlingserwachen den Faktor +50 Blocker ausgepackt, ganz nach der Devise: Hilfe! Bloß kein Sonnenbrand! Das sehe ich natürlich grundsätzlich immernoch so. Sonnenbrand ist ein NoGo! Allerdings musste ich erst noch lernen, dass unsere Haut unter einer Schicht aus Sonnencreme keine Vitamin D-Synthese praktizieren kann, dabei ist Vitamin D so lebenswichtig. Dh: Kinder sollten gerade in den Morgen- und Abendstunden auch ab und an 10-15 Minuten ohne Sonnenschutz-Kampfbemalung im Gesicht herumlaufen dürfen. Auch hier gilt wie immer: bitte das richtige Maß einhalten - kein Skinny-Dipping-Nackidei-Marathon bei 45 Grad im Schatten ohne Sonnenschutz! Logo.
- Antizyklisches Sonnenbad: Zuviel Sonne strapaziert die Haut. Aber dennoch wollen und sollen unsere Kratzemäuse doch draussen spielen! Es müssen ja im Hochsommer nicht immer die Primetime-Zeiten sein - Spielplätze, Gärten und Freibäder kann man auch in frühen Morgenstunden oder ab 18h noch wunderbar nutzen statt in den Stoßzeiten am sonnigen Nachmittag.
3. Gute Bedingungen für einen erholsamen Schlaf schaffen - auch im Sommer: Da bei Neurodermitikern häufig die Fähigkeit zur Transpiration nur sehr eingeschränkt funktioniert, ist es gerade im Sommer unglaublich wichtig, sie nicht zu dick anzuziehen - und das gilt auch im Schlaf! Ich höre jetzt mindestens die Hälfte von Euch im Geiste sagen: Alter Hut. Gähn. Aber: immer wieder muss man sich hier selbst kritisch beäugen, lernen, nicht von sich selbst auf das Kratzekind zu schließen („nachts ist mir kalt, ergo muss ihm ja auch kalt sein“ - nope). Unser Kratzekind schläft mittlerweile außerhalb des Schubs rund ums Jahr lediglich in Ungerbutz (Kölsch für Unterwäsche), meist sogar ohne T-Shirt. Bloß keine Socken, Decken etc. im Sommer - wenn das Kind das Plümo wegstrampelt, hat es einen Grund dazu. Alle Schildchen und Etiketten sind selbstverständlich rausgeschnitten an jedwedem Kleidungsstück. Und nicht jedes Kratzekind schläft unruhig, weil es sich kratzt - sondern auch, weil es ihm zu warm ist. Aber: was ist mit den ND-Anzügen, den Scratch Sleeves, Mullbinden etc.? Mittlerweile verzichten wir so weit es geht in schubfreien Zeiten auch darauf komplett. Wenn ein Kind kratzen will, dann kratzt es auch, ob mit Handschuhen und Ganzkörperverband oder ohne. Unser Kind hat oft so gekocht unter diesen Schichten, dass wir es irgendwann gelassen haben. Oder es gab Ärger und Wutanfälle, die dann die Pumpe bei Kind und Eltern auf 180 springen ließen - wer soll da einschlafen und zur Ruhe kommen?! Hier muss man selbst lernen einzuschätzen, wie es akut um die Haut steht und abwägen: was ist mehr wert - erholsamer Schlaf des Kindes oder eine potentielle Kratzvermeidung. Nochmal: ich rede nur von schubfreien Zeiten. Im Schub selbst muss man andere Maßstäbe setzen. Da sieht die Sache bei uns natürlich auch anders aus; nässende, offene Brandherde müssen ‚gesichert‘, lange, sehr dünne Baumwoll-Schlafanzüge (Nähte nach außen) und Scratch Sleeves etc. getragen werden. Dennoch: Mut zur Kälte! Fenster auf (falls keine Pollen-Reaktion), frische Nachtluft rein oder Ventilator an, Frottee-Bettwäsche oder Hitze-stauende (und oft Plastik enthaltene!) Schonbezüge oder Einnässmatten raus usw. Ich selbst schlüpf' dann neben den Kids lieber unter die kuschelige Daunendecke, selbst im Sommer - Kleine Atopiker sind eben ganz spezielle Wunderwesen :)
4. Pollen, Allergien und Co. im Sommer: Unser Kratzekind hat (noch!) keine Probleme mit Birke, Eiche und Co. (sprich: Pollen!) aber ab spätestens Juni sind dafür dann ja schon die Gräser da (Knollengräser, Ruchgräser, Rispengras - alles was auf einer schönen Sommerwiese so wächst!) und darauf reagiert unser kleiner Atopiker leider allergisch (Test positiv). Meist kommt die Neurodermitis eben nicht allein sondern hat im Gepäck noch eine Menge an Allergien und Co. Daher kann ich Euch sehr eine Pollen-App empfehlen, um mit einem Klick bzw. Blick zu wissen: was erwartet uns heute, morgen oder übermorgen in Sachen Pollen & Co.? Zudem: Lüften nur im Rhythmus des Pollenfluges! Auch hierbei kann eine App helfen, die den Pollenflug prognostiziert. Noch ein Tipp bei Pollen-Anfälligkeit: die dreckigen Hosen, Jacken und Shirts nie im Kinderzimmer ausziehen (oder gar über Nacht dort lagern), sondern gleich vor der Waschmaschine ausziehen und in die Waschtrommel stopfen. So können sich die Pollen gar nicht erst ausbreiten. Wenn das Kratzekind nachweislich auf Pollen reagiert und täglich zu Kita oder Schule im Auto gefahren wird, kann man auch über einen Pollenfilter im Auto nachdenken. Auch immer wieder im Sommer ein Thema rund um Allergien: die Sonnenallergie. Kein Mensch weiß bis heute, ob es sich dabei wirklich um eine Allergie handelt und welche Ursachen sie hat, belegt ist aber, das Licht eine entscheidende Rolle dabei spielt. Dabei geht es um die Bildung von Hautekzemen oder Bläschen, die nach längerer Sonnenabstinenz und anschließender langer Sonneneinstrahlung auftreten können. Oft ist hier eine Differenzierung im Hinblick auf die Neurodermitis kaum möglich. Bei Verdacht also auch hier: am Besten direkt aus der Sonne raus bzw. Haut mit UV-Kleidung schützen und ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt suchen.
5. Urlaubsziele anpassen: Wenn es irgendwann heißt „wohin geht’s im Sommerurlaub?“, muss man mit kleinen Atopikern umdenken. Tropisches und schwüles Klima (also trockene Hitze oder zu hohe Luftfeuchtigkeit) würden wir aus Erfahrung meiden. Gleiches gilt für schlichtweg zu trockene Hitze über 30 Grad (wie zB ein Sommerurlaub auf Mallorca; ein Klassiker, der für uns absolut nicht funktioniert ohne Schub). Es muss im Sommer auch nicht immer exotisch sein. Und ein Urlaub am Mittelmeer ist auch im Herbst oder in den Osterferien schön statt in den Hitzemonaten. Auch hier bietet sich die antizyklische Vorgehensweise an: im Sommer z.B. lieber an Ost- oder Nordsee (Achtung mit Atopikern unter 4 Jahren, hier kann die salzige Luft auch die Lunge angreifen), nach Österreich in die Berge oder Richtung Skandinavien oder gar Kanada. Am Meer oder in höheren Lagen weht die Brise oft auch die Pollen weg. Oder: im Hochsommer einfach zu Hause bleiben und sich auf einen spätsommerlichen Urlaub im Herbst freuen. Die Haut wird's euch danken.
6. Pflege im Sommer ist nicht gleich Pflege im Winter: Ob warme oder kalte Jahreszeit, es gilt weiterhin für uns das Credo: Tägliche Basis-Pflege der Haut ist ein Muss, egal wie perfekt oder katastrophal die Haut aussehen mag. Grad bei Klimawechsel lieber 2x täglich als nur 1x am Tag, selbst im allerbesten Zustand. Feuchtigkeit oder Fett auf die Haut - das ist oft die große Frage. Zum Thema Eincremen hab ich schon soooo viel geschrieben (wer mag, bitte weiter hinten im Blog anfangen zu stöbern, z.B. hier). Aber im Sommer gilt auf jeden Fall: höheren Feuchtigkeitsanteil auf die Haut auftragen statt diese großflächig mit Fett zuzukleistern! Wir haben mit einem sehr fettigen Pflegeprodukt vor 2 Jahren im Sommerurlaub extrem schlechte Erfahrungen gemacht, was uns die längste 'Ganzkörper-Kortisonkur' in der Kratzekarriere unseres Kindes eingebrockt hatte. Falls ihr Euch die Cremes auch anmischen lasst in der Apotheke, kann man einfach um einen höheren Feuchtigkeitsanteil bitten und das Rezept anpassen. Sprecht Euch im Zweifel mit Eurem Kinderarzt ab - die Haut muss atmen können unter all der Pflege! Noch ein Tipp: Fuß und Handpflege nicht vergessen! Kinder spielen im Sommer den ganzen Tag draussen; auch in der Kita wird gematscht und im Sandkasten gearbeitet. Dabei trocknen Sonne, Dreck, Wasser, die Luft und der Sand insbesondere Hände und in Sandalen steckende Füße aus, lassen sie rissig werden und aufplatzen - Brandherde für Bakterien und Pilze! Das sollte vermieden werden. Daher auch im Sommer in der Kita seifenfreies Waschstück und Creme hinterlegen (weitere Kita-Tipps für Neurodermitiker findet ihr übrigens hier). Abends bei der Hautpflege von Kindern auch die Fusssohlen berücksichtigen damit sie nicht einreißen. Die Heilung eines eingerissenen, entzündeten Nagels oder einer Wunde am Finger kann sich bei kleinen Atomkern gerne einmal ein paar Monate ziehen.
7. Katzendusche am Abend: Wie ihr wisst, bin ich keine vehemente Befürworterin des täglichen Badens der Kinder (zu viel heißes Wasser trocknet die Haut nur unnötig aus und es braucht für mich auch nicht diesen ständigen Reinigungsmarathon). Allerdings ist es in den Sommermonaten unerlässlich, das Körperchen und die Haare der Kratzekinder am Abend von Sonnencreme, Sand aus dem Sandkasten (jedes Sandkorn über Nacht kann bei Neurodermikern scheuern wie wild), Chlor, Salzwasser, Pollen und Gräserpartikel abzuspülen. Da muss nicht jedes Mal zwanghaft mit Shampoo, Spülung und Duschgel gearbeitet werden - ein ordentlicher Lauf durch den Sprenger oder eine schnelle Dusche mit klarem Wasser tut's auch; gern auch mit rückfettenden Substanzen. Vor dem Schlafengehen natürlich die Haut pflegen und eincremen.
8. Lang lebe der Trockner - Für die meisten Kratzeeltern ist der Trockner ein Segen (wenngleich ökologisch oft noch ein Desaster!). Denn die kleinen Patienten sollten jeden Tag frische Kleidung anziehen, um sich von Hautschschuppen, Krusten, Bakterien und Co. zu schützen. So laufen Trockner und Waschmaschine in Kratzefamilien meist auf Hochtouren. Auch wenn's leider ins Geld geht: Gerade in Frühjahr und Sommer kann der Verzicht aufs Aufhängen der Wäsche draußen und stattdessen die Verwendung eines Trockners hilfreich sein, um die Polleneinnistung zu vermeiden. Die hohen Temperaturen des Trockners reduzieren zudem Allergene und sorgen dafür, dass die Wäsche nicht zu rau wird. Warum ist das wichtig? Raue Wäsche birgt das Risiko in sich, Kontaktallergien auszulösen oder zu verstärken, da raue Gewebeoberflächen die Irritationsgefährdung der Haut erhöhen. Manche Neurodermitiker bügeln die Kleidung nach dem Waschen sogar, um die Wäsche noch weicher zu machen (Achtung: Aber bloss keine Weichspüler oder Dufttücher im Trockner zusätzlich zur Hand nehmen, da kommt man vom Regen in die Traufe). Natürlich muss man bei einigen sensiblen Stoffen wie auch bei Baumwollprodukten ein Auge darauf haben, dass die Klamotten nicht einlaufen. Ich kaufe inzwischen immer alles zwei Nummern größer oder im Second Hand Laden, da kann man zumindest sicher sein, dass die gekauften Größen jedwede Hitze, Trockner- und Waschgänge überstehen.
9. Apropos Kleidung: In Sachen Kleidung versteht sich für Kratzekinder im Sommer von selbst: Luftig und leicht. Weiche, strukturarme Stoffe wie Seide, Leinen, Baumwolle. Hier müsst ihr ausprobieren, was Eurem Kind liegt. Synthetik, Nylon- oder Polyakrylstoffe, Gummi- und Plastikschuhe bekommen vielen Neurodermitikern nicht (Hitzestau! Fußpilz!), das gilt auch für unser Kratzekind. Dennoch muss in der Fussballmannschaft auch mal ein Trikot sein. Da gehöre ich definitiv zur pragmatischen Fraktion.
10. 'Mach Dich nicht jeck': Das Wichtigste am Sommer ist für mich, ihn nicht vor lauter Sorge zu verpassen, sondern ihn zu genießen. Klar ist die Angst um das eigene Kind immer präsent aber diese sollte Euch nicht davon abhalten, in den warmen Monaten nicht nur Sonne, sondern auch Kraft zu tanken. Je lockerer und unaufgeregter Kratzeeltern selbst mit der Erkrankung umgehen, desto entspannter ist auch der Umgang des Kindes damit. Denn Angst überträgt sich nachweislich auf den Nachwuchs, sei es durch aktive Kommunikation oder nonverbale Zeichen, Stimmlage oder die Körperspannung. Und wenn doch wieder ein Schub kommt: gebt Euch nicht die Schuld. Die tollsten, besten, duftesten, liebevollsten, fürsorglichsten Eltern der Welt können Neurodermitis nicht wegcremen oder heilen. Daher: setzt Euch nicht zu sehr unter Druck, lasst auch mal Fünf gerade sein, setzt die Sonnenbrille auf die Nase und seid nicht zu hart zu Euch selbst. Ihr macht einen unfassbar guten Job!
Viel Spass in der Sonne!